In den letzten zwei Jahren ist etwas verrücktes passiert. Nein, ich meine nicht die Pandemie, obwohl das auch ganz schön verrückt ist. Ich meine die unglaubliche Flut an Videoberatungen. Ich reise ja nun schon eine ganze Weile durch die Lande und erzähle etwas über Onlineberatung. Das Reisen fand wohlgemerkt eher vor der Pandemie statt. Und immer, wenn ich dann bei einem Vortrag oder Workshop darauf hingewiesen habe, dass man neben der „klassischen Onlineberatung“ per Mail, Chat & Co. ja auch mal darüber nachdenken könnte, per Video zu beraten, fiel gefühlt die Hälfte des Plenums in Ohnmacht. Die andere Hälfte schüttelte nur den Kopf. So ein Quatsch! Klient*innen vor die Kamera setzen, nee nee.
Ich will jetzt gar nicht lange darauf rumreiten: Es ist aber etwas passiert. Plötzlich machen „alle“ Videoberatung. Okay!
Digitale Tools sind einer Bereicherung – aber es geht auch anders
Und so sind auch in den letzten zwei Jahren viele spannende digitale Tools und digitale Methodenkoffer entstanden. Alle hatten zum Ziel, analoge Methoden zu digitalisieren oder aber ganz neue Digi-Methoden zu entwickeln. Das ist gut und hat dazu beigetragen, dass sich unser aller Methodenrepertoire erweitern konnte.
Mich beschäftigt seit einiger Zeit aber viel mehr die Frage: Wie gelingt es uns „ein bisschen mehr Analoges“ in den digitalen Raum zu holen. Also nicht noch ein Board, eine virtuelle Time-Line oder ein digitales Systembrett. Sondern Methoden und Materialien, die ich in der Präsenz nutze, in den digitalen Beratungsraum zu transprotieren.
Wie können analoge Methoden in den Videoraum wandern?
Ich gebe zu, in den letzten zwei Jahren hat sich auch bei mir einiges an digitalen Tools aber auch an Hardware angesammelt. Inzwischen habe ich aber auch schon ein paar Mail radikal ausgemistet und nutze für meine Trainings oder Supervisionen nur noch ein überschaubares Tool-kit.
Mein liebstes Gerät um analoges Material in den digitalen Raum zu bringen ist inzwischen meine Dokumenten-Kamera. Ich gebe zu: die habe ich mir bei einer Lehrkraft abgeschaut. Ich kann sie ganz einfach über Bildschirmfreigabe oder als zweite Kamera in das Videosetting einbinden und dann ganz viel machen
Zwei Ideen zum Einsatz der Dokumenten-Kamera
Meine Handschrift ist zugegebenermaßen nicht so toll, dennoch traue ich mich auf FlipCharts zu schreiben. Und das geht auch in klein. Ich nutze hierfür etwas festernen Karton im Postkartenformat. Eine Postkarte ist sozusagen eine Seite FlipChart. Das sieht das z. B. so aus, wenn ich einen Überblick über einen Seminartag gebe:
Genauso kann ich die Kamera und die Kärtchen nutzen, um z. B. eine Auftragsklärung zu visualisieren. Das bringt mich zugegebenermaßen etwas ins Schwitzen, weil ich dann „live“ unter der Kamera schreibe. Aber es bringt eine angenehme Dynamik in das Gespräch. Und mein*e Klient*in kann sich ganz auf seine*ihre Themen konzentrieren. Der Video-Kontakt tritt dabei zudem etwas in den Hintergrund, da wir gemeinsam auf die Karten schauen.
Das Schöne bei allen Varianten der Nutzung von Doku-Kamera und Karten/Zetteln/Post-its usw.: Ich kann direkt danach mit der Kamera ein Bild machen und die Ergebnisse dann versenden oder in eine Präsentation einbauen. So dienen die Karten als Anker, der digital übermittelt jederzeit aufgerufen werden kann. Und klar: Ich kann die Karten auch mit ein paar persönlichen Zeilen in einen Briefumschlag senden. Meistens eine tolle Überraschung für die Klient*innen und eine Möglichkeit, mal bei ihnen „analog“ vorbei zu schauen.
Es geht natürlich noch mehr: Ich kann die zweite Kamera dazu nutzen, den Raum zu zeigen und im Raum zu arbeiten. Aber dazu beim nächsten Mal mehr 🙂