Seitdem ChatGPT an der Hochschule München für alle Studierenden kostenlose und datenschutzkonform zur Verfügung steht, eröffnen sich neue Lehrmethoden. In einem Lehrprojekt im Wintersemester 2023/24 habe ich gemeinsam mit Studierenden die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz für das Üben von Onlineberatung getestet. Im Rahmen einer Lehrveranstaltung experimentierten Studierende mit ChatGPT, um Onlineberatungen zu simulieren. Das Projekt zielte darauf ab, den Studierenden praktische Erfahrungen in einem kontrollierten, digitalen Setting zu ermöglichen und gleichzeitig die Potenziale und Grenzen von KI-Technologien beim Üben von Onlineberatung zu erkunden. Die Studierenden hatten dabei die Aufgabe, ihre Erfahrungen mit ChatGPT zu reflektieren und dessen Einsatz in der Onlineberatungssimulation zu bewerten. Dieser Artikel präsentiert erste Ergebnisse dieses Projekts und gibt Einblicke in die Einschätzungen der Studierenden zu den Stärken und Schwächen von ChatGPT in diesem Lehrkontext.
ChatGPT als Trainingsinstrument: Einschätzungen der Studierenden
Die Studierenden identifizierten mehrere Stärken von ChatGPT in der Simulation von Onlineberatung. Sie fanden, dass ChatGPT besonders nützlich für erste Übungen ist, da es eine unbegrenzte Anzahl von Übungsdurchgängen ermöglicht. Seine ständige Verfügbarkeit und Fähigkeit, unterschiedliche Szenarien zu simulieren, wurden als besonders wertvoll hervorgehoben. Darüber hinaus lobten die Studierenden ChatGPT für seine Kompetenz, realistische Fallbeispiele zu generieren und Emotionen von Ratsuchenden glaubhaft darzustellen.
Herausforderungen und Grenzen aus Sicht der Studierenden
Auf der anderen Seite stießen die Studierenden auch auf Herausforderungen und Grenzen beim Einsatz von ChatGPT. Eine der Hauptkritikpunkte war die Geschwindigkeit der Antworten des Bots, die besonders für das Setting Mailberatung weitaus schneller als in realen Beratungssituationen erfolgt. Dies wurde als unrealistisch für den Lernprozess bewertet. Zudem bemerkten die Studierenden, dass ChatGPT nicht immer die ‚prompts‘ wie gewünscht umsetzt und tendenziell zu kooperativ ist, was in einer frühzeitigen Beendigung der Beratung resultieren kann. Kritisch sahen die Studierenden auch die Tendenz von ChatGPT, manchmal unrealistische Antworten zu geben und Stereotype zu reproduzieren. Hier fiel zum Beispiel auf, dass die Aufforderung an ChatGPT eine Mailberatungsanfrage in einem emotionalen Tonfall zu entwickeln dazu führte, dass ChatGPT eine Mail einer weiblichen Ratsuchenden generierte. Der ‚prompt‘ einen eher distanzierten und sachlichen Tonfall zu verwenden, führte hingegen zu einer Mailanfrage, die von einem fiktiven männlichen Ratsuchenden unterzeichnet wurde. Anhand dieses und weiterer Beispiele konnte das Thema ‚Bias‘ gut reflektiert werden.
Diskussion und Ausblick: Die Perspektive der Studierenden
Die Studierenden betonten, dass ChatGPT ein grundsätzlich vielversprechendes Werkzeug für die Ausbildung darstellt, aber seine Grenzen nicht übersehen werden dürfen. Sie sehen die Technologie als eine ergänzende Methode, die reale menschliche Interaktionen in der Beratungsausbildung nicht ersetzen kann. Zukünftige Verbesserungen könnten darauf abzielen, ChatGPT anpassungsfähiger und nuancierter in seinen Antworten zu machen.
Fazit und Ausblick
Aus der Perspektive der Studierenden ist ChatGPT ein gutes Werkzeug für die Ausbildung im Bereich Onlineberatung. Es bietet eine neue Art des Lernens durch seine Fähigkeit, verschiedene Beratungsszenarien zu simulieren. Trotz seiner Grenzen bietet es eine gute Gelegenheit für Studierende, zu üben und und neue Beratungskompetenzen zu entwickeln. Die Studierenden empfehlen, die Technologie als Teil eines umfassenden Lehrplans zu nutzen, der weiterhin das Sammeln realer Beratungserfahrungen einschließt.
Kostenloser Download von Lehrmaterial
Ein Arbeitsblatt mit der – nach dem Feedback der Studierenden – überarbeiteten Aufgabenstellung stelle ich im Bereich „Lehrmaterial“ auf meiner Webseite zur Verfügung. Dieser Bereich wird in den nächsten Monaten wachsen, wenn weitere Arbeitsblätte folgen. Die Materialen stelle ich unter einer Creative Commons Lizenz zur Verfügung. Andere Lehrende (und Lernende) dürfen sie gerne unter der Bedinung „Namensnennung – nicht kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen“ verwenden.