Im vergangenen Jahr wurde ich von der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung eingeladen einen Artikel zum Thema „Qualität in der Onlineberatung“ zu schreiben. Ein Thema, dass man ständig aktualisieren müsste, da die Entwicklungen in diesem Feld außerordentlich dynamisch sind. Insofern gibt dieser Artikel auch „nur“ einen Überblick über die zu beachtenden Aspekte – eine übergeordnete Qualitätsempfehlung (so dies überhaupt möglich ist), steht noch aus.
Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung, Heft 03/2013
Qualitätsmerkmale guter Onlineberatung ‐ Aktuelle Anforderungen an Forschung und
Praxis
Zusammenfassung: Die Diskussion über die Entwicklung von Qualitätskriterien und die Sicherstellung und Überprüfbarkeit von Qualität in der Onlineberatung ist im vollen Gang. Onlineberatung hat sich inzwischen soweit etabliert, dass es nicht mehr um die Frage geht „ob“ sondern „wie“ Onlineberatung stattfinden muss. Hierbei gilt es die Erfahrungen aus der Pionierphase der internetgestützten Beratung strukturiert aufzuarbeiten und daraus Qualitätsempfehlungen für die aktuelle Praxis der Onlineberatung zu formulieren. Der vorliegende Artikel soll dazu anregen Qualitätsaspekte für eine gute Praxis der Onlineberatung zu überdenken und einen Ausblick auf die noch offenen „Baustellen“
schaffen.
Quality characteristics of good online counseling ‐ Current requirements for research and
practice
Summary: The debate on the development of quality standards and ensuring quality and
verifiability of online counseling is in full swing. Online counseling has now established itself
as far as it no longer comes to the question of „if“ but „how“ online counseling should be
realized. To formulate recommendations for the quality of current practice of online
counseling it is helpful to analyze the experiences of the pioneer phase of web‐based
counseling. This article wants to invite the readers to discuss and reconsider aspects of good
practice of online counseling and provides an outlook on prospective challenges.
1. Einleitung
Die Entwicklung der Onlineberatung im deutschsprachigen Raum hat mehrere Phasen durchlaufen: Mit den ersten virtuellen Beratungsangeboten Anfang und Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde der Grundstein für eine neue Form der Beratung gelegt. Dem Auftakt dieser Angebote mit Pioniercharakter und einem hohen Maß an Experimentierfreude folgte bald der Ruf nach Standards und Qualitätssicherungsmaßnahmen. Es wurden die ersten qualifizierenden Ausbildungen in Onlineberatung ins Leben gerufen und diverse Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit der Entwicklung von Qualitätsstandards und Empfehlungen zur Umsetzung und Durchführung von Onlineberatungsangeboten. So führte der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen 2001 ein ‚Gütezeichen für psychologische Online‐Beratung‘ ein. „Ziel dieses Gütezeichens ist es, eine Orientierung zum Auffinden qualitativ hochwertiger Beratungen zu geben.“ (Bundesverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen 2001). Hier ist jedoch anzumerken, dass die Kriterien für die Vergabe eines solchen Gütezeichens eine spezifizierte Ausbildung in Onlineberatung nicht voraussetzen. Die Föderation Schweizer PsychologInnen entwickelte im Rahmen der Kommission Fortbildung Online‐Beratung (KFOB) im Frühjahr 2003 ein ‚Kompetenzprofil der psychologischen Online‐BeraterInnen‘ in dem ein umfangreicher Katalog an Fähigkeiten und Kompetenzen aufgeführt ist (KFOB 2003). In unterschiedlichen Arbeitskreisen wurden Empfehlungen und Standards für Onlineberatung entwickelt (z. B. Verein Wiener Sozialprojekte 2006, Deutscher Caritasverband e. V. 2007, Deutscher Arbeitskreis für Jugend‐, Ehe‐ und Familienberatung 2010).
Als ein „unabhängiges Forum zur Weiterentwicklung der Online‐Beratung“ (DGOB 2005) wurde 2005 die Deutsche Gesellschaft für Online‐Beratung gegründet. Mit dem seit 2008 jährlich stattfindenden ‚Fachforum Onlineberatung‘ an der Technischen Hochschule Nürnberg wurde eine weitere trägerübergreifende Plattform für Onlineberatung geschaffen.
Im Rahmen einer hieraus resultierenden Arbeitsgemeinschaft verschiedener Träger der
Onlineberatung wurde ein gemeinsames Curriculum mit Mindeststandards für die
Onlineberatungsausbildung verabschiedet (Trägertreffen 2011). Mit der Gründung eines
Fachbeirats und Zertifizierungsausschusses für Onlineberatungsausbildungen im März diesen
Jahres wurde ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Qualitätssicherung unternommen.
Mit seiner Master‐Thesis zum Thema „Qualitätsmanagement in der psychosozialen
Onlineberatung“ (Kühne 2012) legt Stefan Kühne die erste systematische Übersicht und
Analyse der vorhandenen Konzepte zur Qualität und zur Aus‐ und Weiterbildung im Bereich
Onlineberatung vor. Offen bleiben nach Kühne jedoch die Definition von allgemeingültigen
Standards zur Onlineberatung sowie eine Untersuchung zur realen Praxis (Kühne 2012, S.
86f.).
Mit eben dieser Frage der zentralen Qualitätsmerkmale einer „guten“ und sicheren
Onlineberatung befasst sich das von der STAEDTLER Stiftung unterstützte Forschungsprojekt
zu einer ‚Vorstudie zur Entwicklung eines Gütesiegels für Onlineberatung‘ am Institut für E-Beratung an der Technischen Hochschule Nürnberg. Das im Herbst 2012 neu gegründete
Institut der Fakultät Sozialwissenschaften bündelt Projekte, Expertenwissen und Aktivitäten
elektronisch vermittelter Kommunikation im psychosozialen Beratungsbereich. Das Institut
für E‐Beratung knüpft hierbei an die bisher gemachten Erfahrungen im Bereich der
Onlineberatung an und erweitert den Fokus auf weitere Formen internetgestützter und
elektronisch vermittelter Beratungsleistungen (wie z. B. 3‐D‐Onlineberatung oder SMSgestützte
Beratungsformen). Im Rahmen der genannten Vorstudie werden bereits vorhandene Qualitätsmerkmale erhoben und mit internationalen Standards vergleichen. Die daraus gewonnenen Qualitätsempfehlungen zur Onlineberatung werden mit den derzeitigen
Trägern der Onlineberatung im Konsens vereinbart, um eine möglichst breite Akzeptanz
herzustellen. Die daraus künftig resultierende Vergabe eines ‚Gütesiegels‘ hilft NutzerInnen
im Netz schnell eine geeignete, seriöse und fachlich fundierte internetgestützte Beratung
und Unterstützung zu erreichen.
Bei einem solchen Qualitätszeichen kann es jedoch nicht nur darum gehen, den NutzerInnen
Orientierung zu geben. Das Festlegen, Einhalten und Überprüfen von Standards ist der einzig
mögliche Weg, um Onlineberatung die nötige Substanz zu verleihen, die sie zu einem
durchweg ernstzunehmenden und damit auch finanziell förderungsfähigen Beratungsangebot in der sozialen Landschaft macht. Hier bedarf es nicht nur auf Seiten der Kostenträger eines Umdenkens. Insofern hat ein ‚Gütesiegel‘ für Onlineberatung auch eine starke Signalwirkung in Richtung Fachwelt und Kostenträger für soziale Beratungsleistungen.
Auch die Einrichtungen selbst stehen vor der Frage, wie sie die Onlineberatung in ihr bisheriges (Beratungs‐)Konzept integrieren und mit den konventionellen Beratungsangeboten verknüpfen, also Onlineberatung von einem Nebenangebot zu einer strukturierten Form von „Blended Counseling“ zu entwickeln (Weiß & Engelhardt 2012). Denn nach wie vor dient in der Onlineberatung die Face‐to‐Face‐Beratung als Referenzmodell anhand dessen man Unterschiede und Ähnlichkeiten aufzeigt und auch Schlüsse für die Weiterbildung in Onlineberatung definiert. Die (Weiter‐)Entwicklung eigener Onlineberatungskonzepte und ‐ansätze, die losgelöst von der konventionellen Beratung gedacht und entwickelt werden, stellt also eine weitere Herausforderung für die Zukunft dar, die maßgeblich dazu beitragen wird, Qualität zu schaffen.
2. Kriterien für gute Onlineberatung
Aber was macht gute Onlineberatung aus? Auf den ersten Blick lautet die Antwort vermutlich: hochqualifizierte Beratungskräfte, deren Angebot auf einer Plattform mit den höchsten Standards für eine datensichere Kommunikation stattfindet. Hier muss nun aber
eine vertiefte Betrachtung der einzelnen Punkte stattfinden, um zu einer tragfähigen und seriösen Beschreibung von „Güte“ in der Onlineberatung zu kommen. Die Ratsuchenden selbst werden ihrerseits eine „gute“ Beratung an ganz unterschiedlichen Aspekten festmachen: Hat mir die Beratung geholfen, mein Problem zu lösen, war mir meine Beraterin sympathisch, habe ich mich verstanden und angenommen gefühlt usw.?
Kriterien für die Vergabe eines ‚Gütesiegels‘ müssen folglich bei objektiv messbaren Faktoren auf Seiten der Beratungsstelle liegen. Hierfür wird es notwendig sein, einen Kriterienkatalog zu entwickeln, der auf unterschiedliche Qualitätsaspekte abzielt, hierbei jedoch nicht die Besonderheiten der einzelnen Angebotsformen unberücksichtigt lässt (z. B. Angebote, die nur online erfolgen gegenüber Angeboten, die als zusätzliche Zugangsmöglichkeit zur Beratung bereitgestellt werden).
Träger der Onlineberatung haben sich hierzu in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Papieren und Statements intensive Gedanken gemacht. Als Qualitätskriterien werden beispielsweise Zugang, Erreichbarkeit und Wahlfreiheit der Ratsuchenden sowie Vernetzung genannt (Mitgliederversammlung KBK‐EFL 2007), ebenso finden Aspekte wie technische Sicherheit, Anwendungsbereiche von Onlineberatung und Personalkoordination Berücksichtigung (pro familia‐Bundesverband 2004). All diesen Erklärungen gemein ist, dass die fortlaufende Entwicklung der Qualitätskriterien insbesondere in Hinblick auf die stetigen Veränderungen und Neuerungen in der virtuellen Welt, als notwendig erachtet wird und eine damit einhergehende Selbstverpflichtung dieser nachzukommen formuliert wird.
Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf drei Bereiche, die die Entwicklung der Qualität
von Onlineberatung entscheidend beeinflussen: Qualifizierung, technische Standards und
organisationale Strukturen.
2.1. Qualifizierung von Beratenden in der Onlineberatung
Onlineberatung bedarf auf Seiten der Beratenden besondere Fähigkeiten und Kompetenzen.
Eine grundständige Beratungsausbildung (im konventionellen face‐to‐face‐Beratungssetting)
ist eine wichtige Grundlage und hilfreich um grundlegende Prozesse in einer Beratung verstehen zu können (z. B. Übertragung und Gegenübertragung, Auftragsklärung etc.), sie
kann jedoch nicht allein zur Beratung im Onlinesetting qualifizieren.
In den vergangenen Jahren gab es unterschiedliche Versuche, Ausbildungsangebote in
Onlineberatung mit gemeinsamen Standards zu versehen. Dennoch unterscheiden sich viele
Ausbildungslehrgänge nach wie vor stark – vor allem in Hinblick auf ihren Umfang. Von Wochenendkursen mit theoretischen Einführungen, die stärker auf die Handhabung der Beratungssoftware abzielen bis hin zu umfangreichen mehrmonatigen und gestuften Ausbildungslehrgängen mit einer durch Mentoren begleiteten Fallpraxis (z. B. bke
Qualifizierung und Qualitätssicherung 2007/2010, Zertifikatskurs Online‐Beratung der
Technischen Hochschule Nürnberg 2008 ). Ein wichtiger Schritt zur Vereinheitlichung und
damit auch zur qualitativen Anhebung von Ausbildungsstandards in der Onlineberatung wurde mit dem 2011 verabschiedeten trägerübergreifenden „Ausbildungscurriculum Onlineberatung“ (ebd. 2011) gegangen.
Dieses Curriculum sieht als Zugangsvoraussetzung zu einer Onlineberatungsausbildung eine
„beratungsrelevante Grundausbildung […] sowie weitere beratungsspezifische Fort‐ und
Weiterbildungen“ und eine „arbeitsfeldspezifische Kompetenz“ vor (ebd. 2011). Somit wird also vorausgesetzt, dass Personen, die eine Qualifizierung in Onlineberatung anstreben, bereits eine Grundqualifizierung in Beratung besitzen. Die Ausbildung selbst kann dann auf diesen Kompetenzen aufbauen und die Beratenden zu den Besonderheiten von Onlineberatung zusätzlich schulen.
Eine Ausbildung zum/r Onlineberater/in soll einen Stundenumfang von mindestens 100
Unterrichtsstunden (im blended learning Verfahren) nicht unterschreiten, ebenso wird ein
Selbsterfahrungsanteil in Form von einer durch erfahrene Mentoren begleiteten Fallpraxis
empfohlen (ebd., 2011).
Inhaltlich wird von einem dreistufigen Konzept ausgegangen:
‐ Kompetenz in Onlinekommunikation
‐ Kompetenz in Onlineberatung
‐ Kenntnisse über rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen
Der Einstieg über die Grundlagen von Onlinekommunikation soll bei den Auszubildenden vor allem ein Bewusstsein dafür wecken, dass Onlineberatung keine face‐to‐face‐Beratung in einem anderen Medium ist (Brunner, 2006). Es geht vielmehr darum, sich auf eine ganz neue Form der Kommunikation und Interaktion einzulassen und deren Spezifika für die Gestaltung
eines Beratungsprozesses zu verinnerlichen.
Neben der theoretischen und praktischen Qualifizierung in Onlineberatung spielt für eine nachhaltige Qualitätssicherung in diesem Bereich auch regelmäßige Supervision für die Beratungskräfte eine wichtige Rolle. Die Bereitstellung dieses Angebots ist unter dem Stichwort „Strukturqualität“ von Seiten des Trägers sicher zu stellen. Inhaltlich interessant zu hinterfragen wäre, ob Supervision für Onlineberatende nicht auch in einem virtuellen Setting als Online‐Supervision anzubieten wäre. Reiners bemerkt in diesem Zusammenhang, dass von Supervisoren in diesem Feld „…Erfahrung mit Online‐Kommunikation und der besonderen Beziehungsgestaltung in diesem Bereich sowie den Wirkmechanismen der Online‐Beratung gewünscht [wird], zumindest aber, dass die Supervisorin diesen Themen offen gegenübersteht.“ (Reiners 2010, S. 13)
Die stetige Weiterentwicklung von virtualisierten Lebenswelten, technischen Möglichkeiten
und daraus resultierenden Kommunikationsstrukturen erfordert einen fortlaufenden Qualifizierungsprozess. Onlineberatende müssen sich darüber bewusst sein, wie sich die
fortschreitende Mediatisierung unserer Gesellschaft auch auf die Prozesse in der (Online)Beratung auswirkt. Sie sind dazu aufgefordert, sich immer wieder den aktuellen Stand der Entwicklung anzueignen und sich fortzubilden. Mit einer grundlegenden Onlineberatungsausbildung allein ist es also auf Dauer nicht getan. Dies bedeutet für die Träger und Anbieter von Onlineberatung die Bereitstellung entsprechender Angebote bzw. die Möglichkeit zur Teilnahme an Fortbildungen an entsprechenden Ausbildungsinstitutionen zu schaffen.
2.2. Technische Standards von Onlineberatung
Onlineberatung ist im Gegensatz zu den konventionellen Beratungsformen stark abhängig von einer soliden und datensicheren technischen Lösung. Hierin steckt auch ein Dilemma in der Zertifizierung von Onlineberatenden: keine noch so gute Qualifikation in Onlineberatung ersetzt die Tatsache, dass die Durchführung der Onlineberatung dann auch auf einer entsprechenden Beratungsplattform stattfinden muss. Wer sich als OnlineberaterIn zertifizieren lässt darf nicht auf eine unverschlüsselte E‐Mail zur Durchführung der Beratungsleistung zurückgreifen. Nicht zuletzt deshalb muss eine Ausbildung zum/r Onlineberater/in auch über die technischen Sicherheitsstandards, die beim Einsatz einer Onlineberatung notwendig sind, informieren.
Es lohnt sich deshalb in eine seriöse Beratungssoftware zu investieren, die inzwischen auf
dem Markt von unterschiedlichen Anbietern, die sich auf dieses Feld spezialisiert haben, angeboten wird. Im Wesentlichen sollten aber die zwei Kriterien bei einer Beratungssoftware
Berücksichtigung finden:
‐ Webbasierte Beratung, d.h. die Beratung findet ausschließlich auf einem
hochverfügbarem und verschlüsselten Server statt, es werden kein personen‐ und
beratungsbezogenen Daten auf den Rechnern von BeraterInnen und KlientInnen
gespeichert.
‐ SSL (Secure Sockets Layer)‐Verschlüsselung der Übertragungswege zur sicheren
Datenübertragung (bspw. bekannt vom Onlinebanking).
Hinzu kommen Aspekte, die die Handhabung der Software betreffen, wie beispielsweise ein barrierefreier Zugang, die Optimierung für verschiedene Endgeräte (PC, Tablet, Smartphone
etc.), ein umfangreiches und individuell anpassbares Rechte‐/Rollensystem. Ansprechendes Design und eine hohe Usability sowohl für Ratsuchende als auch für Beratende sowie ein regelmäßiges Update der Software und der Erscheinung der Beratungsstellenseite runden
diesen Punkt ab (Dzeyk 2005, Kühne 2012).
2.3. Organisatorische Aspekte von Onlineberatung
Der Umsetzung eines Onlineberatungsangebotes geht organisationsintern oft ein langer
Entscheidungsprozess voraus. Dieser ist insofern richtig und wichtig, als Anbietern einer
Onlineberatung klar sein muss, dass neben dem Einsatz einer datensicheren Software und
qualifizierten Onlineberatenden wichtige strukturelle und konzeptionelle Punkte zu
beachten sind.
So gilt es zu prüfen, wie die gewünschte Zielgruppe erreicht und ihr virtuelles Kommunikationsverhalten durch den Einsatz entsprechender Beratungstools (Foren, Chat,
webgestützte E‐Mailberatung) erreicht werden kann. Da Onlineberatung zwar oft regional organisiert angeboten wird, aber überregional erreichbar und zugänglich ist, muss die Frage
geklärt werden, wie mit der Beratung von KlientInnen, die nicht in die regionale Zuständigkeit der Einrichtung fallen, umgegangen werden kann. Da hierbei oft auch Finanzierungsfragen in enger Verknüpfung zum Tragen kommen, ist diese Frage durchaus trivial, oftmals aber nicht einfach zu lösen.
Ebenso spielen bei der Konzeption des Onlineberatungsangebots Aspekte der personellen und finanziellen Ressourcen eine wesentliche Rolle. Die Beitragsübernahme durch den/die BeraterIn muss unmittelbar, d. h. unter der Einhaltung kurzer Wartezeiten von i. d. R. nicht mehr als 48 Stunden erfolgen (KBK‐EFL 2007, pro familia 2004). Eine Einführung von Öffnungszeiten nur zu Bürozeiten oder von Wartelisten würde der Kernidee von Onlineberatung grundlegend widersprechen und sie hinfällig machen. Eine Rund‐um‐die‐Uhr‐Erreichbarkeit der Onlineberatungsstelle mit der Möglichkeit jederzeit eine Anfrage zu senden ist folglich ein wesentliches Qualitätskriterium für ein solches Angebot.
Kühne (2012) weist auf drei Dimensionen von Qualität hin, die in Form von Struktur, Prozess und Ergebnis sichtbar werden. Hierbei zählt er zu Aspekten der Strukturqualität unter anderem die Erreichbarkeit des Angebots, den niedrigschwelligen Zugang, einen ausreichende Personalausstattung (inkl. Overhead) sowie Informationen zu den möglicherweise entstehenden Kosten bei der Nutzung des Angebots.
Für die Prozessqualität weist er u.a. auf Aspekte wie Verschwiegenheit, fachliches Können, die Beratungsdokumentation, Fortbildung und Supervision hin. Ergebnisqualität wird nach Kühne in der Onlineberatung anhand der statistischen Aufbereitung und Evaluation des Angebots sichtbar und überprüfbar gemacht (Kühne 2012).
Es wird deutlich, dass Onlineberatung als eigenständige Form der Beratung und nicht als ein
„add‐on“ für die konventionellen Formen von Beratung verstanden werden muss. Die Verschränkung und Verknüpfung von Offline‐ und Onlineberatung stellt hierbei keinen Widerspruch dar, darf aber nicht dazu führen, dass der Eindruck entsteht, die Onlineberatung könne „nebenbei“ erfolgen. Unterstrichen wird die Bedeutung der Onlineberatung durch die schriftliche Fixierung in Form einer „Policy“, die nach innen für die Beratenden (Onlineberatungszeit ist Arbeitszeit!) aber auch nach außen für die Ratsuchenden Transparenz schafft.
Alle konzeptionellen und strukturellen Entscheidungen bei der Gestaltung des Angebots bedürfen also einer seriösen Abwägung der Machbarkeit, damit die Onlineberatung nicht zum bloßen Mittel zum Zweck gerät.
3. Ausblick und Entwicklungsperspektiven
Die Entwicklungsaufgaben rund um die Onlineberatung werden niemals abgeschlossen sein.
Es handelt sich um ein hochdynamisches Feld, das stetige Anpassungs‐ und Überprüfungsprozesse erfordert und von den Betreibern der Angebote ein hohes Maß an
Professionalität und Kompetenz in den oben genannten Bereichen voraussetzt.
Mit der Entwicklung eines ‚Gütesiegels‘ für die psychosoziale Onlineberatung wird ein wichtiger Entwicklungsschritt genommen, da gute Onlineberatung sichtbar und überprüfbar wird. Hierin steckt sowohl für die Ratsuchenden, die auf den ersten Blick erkennen können, ob ein Angebot seriös, sicher und fachlich kompetent betrieben wird, als auch für die Träger der Onlineberatung ein wesentlicher Mehrwert. Auf dem großen und unüberschaubaren Markt der Onlineberatungsangebote, die im Netz vertreten sind, können sich diejenigen Angebote von der Masse abheben, die tatsächlich die qualitativen Kriterien von Onlineberatung erfüllen und als hochwertig einzustufen sind. Hierin steckt auch ein wichtiges Signal hinsichtlich der Finanzierung von Onlineberatung, da mögliche Kostenträger bei der Entscheidung zur Förderung auf diese Maßstäbe zurückgreifen werden.
Literatur/Quellen:
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Bundesverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen über Gütesiegel.
https://www.bdp‐verband.de/html/service/siegel.html [Zugriff 25.02.2013]
Deutscher Arbeitskreis für Jugend‐, Ehe‐ und Familienberatung über Qualitätsstandards für
die psychosoziale und psychologische Beratung im Internet. http://www.dakjef.de/pdf/Qualitaetsstandards_psychosoziale_psychologische‐Beratung_im_Internet.pdf [Zugriff 25.02.2013]
Deutscher Caritasverband e. V. über Leitlinien zur Qualität der Beratung im Internet
im Rahmen des Beratungsportals des Deutschen Caritasverbandes e.V.
http://www.beratung‐caritas.de/fileadmin/user_upload/erziehungsberatung /QL_OnlineBer
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Dzeyk, W. (2005). Vertrauen in Internetangebote. e‐beratungsjournal.net, 2 (2). Verfügbar
unter: http://www.e‐beratungsjournal.net/ausgabe_0206/dzeyk.pdf [Zugriff 08.04.2013]
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Kühne, S. (2012). Qualitätsmanagement in der psychosozialen Onlineberatung. Master‐
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pro familia‐Bundesverband über Standards zur Qualitätssicherung der Online‐Beratung bei
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Reiners, B. (2010). Supervision von Online‐Beratung. Verfügbar unter: http://www.ifsessen.
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Weiß, S., Engelhardt, E. (2012). Blended Counseling – Neue Herausforderungen für
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