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Beraten lernen mit ChatGPT!?

von | Mai 19, 2023 | Allgemein | 0 Kommentare

Können ChatGPT* & Co. hilfreiche Unterstützungsinstrumente beim Beraten-Lernen für Studierende sein? Auf diese Frage möchte ich im kommenden Semester erste Antworten finden.

Aber erstmal einen Schritt zurück: Die Diskussionen um die Bedeutung der täglich aus dem Netz ploppenden KI-Anwendungen nimmt nicht ab. Inzwischen hat vermutlich jede:r kapiert, dass die generative KI enorme Auswirkungen auf unser gesamtes Leben haben wird und – wenn man genauer hinsieht – bereits hat. Wie so oft reicht das Spektrum von Begeisterung bis hin zu dystopischen Horrorszenarien über unsere Zukunft.

Lernen in einer digitalisierten Welt – Revolution durch KI?

Durch den unvergleichbar hohen Einsatz digitaler Lehr-/Lernmethoden und -technologien während der Pandemie, hat sich auch die Hochschullehre erheblich weiterentwickelt. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen in der Bildung wird momentan an vielen Stellen diskutiert. Auch an der Hochschule München, haben wir vor einigen Tagen im Rahmen einer Fakultätsklausur einen engagierten Austausch zu diesem Thema gehabt. Es wurde schnell deutlich: Die Nutzung von ChatGPT stellt uns vor viele ungelöste Aufgaben. Sie hat aber auch das Potenzial, die Art und Weise, wie wir an Hochschulen lehren und lernen, zu revolutionieren. Und letztlich bin ich davon überzeugt: Wenn wir nicht unmittelbar damit beginnen, uns intensiv damit auseinander zu setzen, wie wir diese Tools klug in den Unterricht integrieren können, haben wir ein Riesenproblem. Denn die Studierenden nutzen ChatGPT und ähnliche Tools bereits mit einer relativ großen Selbstverständlichkeit. Im Studiengang der Sozialen Arbeit vermutlich (noch) nicht ganz so ausgeprägt, wie in eher technologisch ausgerichteten Studiengängen. Dennoch erlebe ich es inzwischen fast täglich, dass Studierende berichten „dafür habe ich dann mal ChatGPT benutzt“.

KI sinnvoll in der Lehre nutzen

Die Anwendungsszenarien, die mir Studierende beschreiben reichen von ganz alltäglichen Alltagsdingen (wie sich ein Kochrezept zusammenstellen zu lassen), bis hin zu konkret auf ihr Studium bezogene Nutzungsweisen, um beispielsweise selbst geschrieben Texte durch die KI „verbessern“ zu lassen oder Ideen für eine Textgliederung zu einem Thema zu erhalten.

Ich versuche, neben einem kritischen Blick auf die aktuellen Entwicklungen, im Rahmen meiner Lehre die Potentiale und Möglichkeiten von Large Language Modells (LLM) wie ChatGPT zu testen. Im kommenden Wintersemester werde ich in drei Seminaren zum Thema Beratung mit der KI arbeiten. Ob meine Ideen aufgehen? Welche neuen Ideen entstehen werden? An welchen Stellen, wir grandios scheitern werden? Ich bin gespannt darauf, gemeinsam mit meinen Studierenden einen Möglichkeitsraum zu erkunden und ‚best practise‘ Anwendungen zu entwickeln.

(Online-)Beraten lernen mit KI!?

Auf den ersten Blick am naheliegendsten ist die Nutzung von ChatGPT als Rollenspiel-Buddy in der textbasierten Onlineberatung. Als Chat-Bot lädt das Tool natürlich dazu ein, genau das zu tun: Chatten üben. Aber auch Mailberatungsfälle können mit der KI simuliert und geübt werden. Mich beschäftigen dazu folgende Fragen:

  • Studierende können in simulierten Beratungssituationen mit dem Chatbot interagieren. Sie können verschiedene Szenarien durchspielen, bei denen der Chatbot die Rolle der Klient:innen oder anderer Berater:innen übernimmt. Können sie so üben, angemessene Fragen zu stellen, empathisch zuzuhören, Lösungen zu erarbeiten und Feedback zu geben?
  • Fallstudien und Problemlösung: ChatGPT kann auch verwendet werden, um komplexe Fallstudien oder Beratungsfälle zu präsentieren. Studierende können Informationen zu sammeln, Hypothesen entwickeln, Lösungsansätze diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Durch diese praktische Anwendung können sie ihre kritischen Denkfähigkeiten und ihre Fähigkeit zur Problemlösung schärfen. Spannend wird sein, inwiefern der Chatbot hierbei hilfreich wird: Als Ideengeber oder als Sparringpartner, mit dem in einer Diskussion etwas ausgehandelt wird.
  • Feedback und Reflexion: Studierende können ChatGPT nutzen, um Feedback zu ihrer eigenen Beratungsleistung zu erhalten. Indem sie ihre Interaktionen mit dem Chatbot analysieren, können sie ihre Stärken und Schwächen erkennen und Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren. Inwieweit kann ChatGPT konstruktives Feedback zu Kommunikationsstil, Einfühlungsvermögen, Fragetechniken und anderen beratungsrelevanten Aspekten geben?
  • Ethik und Professionalität: Ein wichtiger Aspekt des Beratungslernens ist die Entwicklung von ethischen und professionellen Standards. Kann ChatGPT als virtueller Mentor dienen, der Studierenden dabei hilft, ethische Herausforderungen zu erkennen und angemessene Entscheidungen zu treffen? Können sie durch die Interaktion mit dem Bot die Bedeutung von Vertraulichkeit, Integrität und Verantwortung in der Beratungspraxis verstehen und anwenden lernen?

Es gibt sicherlich noch weitere spannende Fragen in diesem Kontext. Diese werde ich mit den Studierenden gemeinsam erarbeiten und dann in den Übungssequenzen entsprechend erproben und hinterfragen.

LLMs als Fallbeispielgeber

Um Beraten zu lernen steht vor allem viel Üben an. Dazu braucht es immer wieder gute Fallbeispiele. Oft bringt man als Lehrende:r dazu ein paar Fälle aus dem eigenen Erfahrungskontext mit. Ich habe zum Beispiel viel in der Jugendberatung gearbeitet und als Supervisorin Teams begleitet. Mir fällt es daher manchmal schwer zu einem für mich eher fachfremden Thema ein gutes Fallbeispiel zu entwickeln. Inwieweit kann ChatGPT dabei unterstützen, ‚gute‘ Fallvingetten zu generieren, die für Übungen genutzt werden können? Und welchen Nutzen hat es für Studierende, wenn sie die Fallbeispiele selbst mit Hilfe des Textgenerators entwickeln?

Beraten lernen in einer Fremdsprache

Einen meiner Beratungskurse werde ich in englischer Sprache anbieten. Auch wenn alle Studierenden in der Schule Englisch gelernt haben, stellen Beratungsgespräche aufgrund der Nutzung von Fachausdrücken und methodenspezifischen Feinheiten eine ganz schöne Herausforderung dar. Nicht-Muttersprachler:innen haben daher oft die deutsche ‚Version‘ dessen, was sie zum Ausdruck bringen möchten, im Kopf und übersetzen mühevoll. Kann ChatGPT hierbei unterstützen? Es wäre zum Beispiel denkbar, ein in deutscher Sprache geführtes Beratungsgespräch vom Bot in englisch übersetzen zu lassen und dieses Fallbeispiel dann als Grundlage für die nächsten englischsprachigen Gespräche zu nutzen. Sozusagen ein ‚best practise‘ Beispiel, das Sicherheit und Orientierung gibt und dann dazu einlädt, selbst weiter zu experimentieren.

Und sicher Vieles mehr…

Besonders gespannt bin ich jedoch darauf, welche Ideen meine Studierenden mitbringen. Wie können wir die KI gezielt und sinnvoll nutzen, so dass sie eine gute Unterstützung darstellt. Wo wird aber auch deutlich, dass wir Menschen mit unseren Fähigkeiten an vielen Stellen eben (noch?) nicht ersetzbar sind?

Es wird in jedem Fall spannend – und mal sehen, was die KI bis zum Wintersemester inzwischen alles Neues kann…

*ich schreibe hier im Text immer wieder von ChatGPT, da dieses LLM das derzeit bekannteste und am meisten genutzte Modell ist bzw. viele andere Anwender GPT3.5 bei sich integriert haben. Ich werde aber – auch aus Datenschutzgründen – in den Lehrveranstaltungen andere Tools/Anbieter testen. Nicht zuletzt, um auch herauszufinden, welches Tool sich wofür am besten eignet.
Vielversprechend scheint mir derzeit u. a. neuroflash zu sein.