Svenja Hofert hat auf ihrem HR- und Karriereblog zur Blogparade rund um das Thema „Stärken“ eingeladen. Also mal sehen, was mir dazu in den Sinn kommt…
Für mich fängt es schon beim Wort selbst an. Stärken. In meinem Kopf geht eine fast endlose Assoziationskette los: Stärke zeigen, stärker sein, sich stärken…und auch gleichzeitig Schwäche, schwächer werden, eine Schwäche für etwas haben…
Bewusst wird mir bei meinem Gedankenspiel aber auch, dass ich die Begriffe „Stärken“ und „Schwächen“ in meinem Wortschatz gar nicht so sehr häufig verwende. Auch im Kontakt mit meinen Kund*innen in Supervisions- anderen Beratungsprozessen spreche ich eigentlich so gut wie nie von Stärken und Schwächen. Ich benutze vorwiegend das Wort Ressourcen.
Ressourcen können sowohl Stärken als auch Schwächen sein und beide haben in unserem Leben einen Platz, denn sie haben auch einen Nutzen. Dinge, die uns stark machen, die wir gut können, die uns helfen psychisch und physisch gesund zu leben sind ebenso wichtig wie all Jenes , das uns vermeintlich schwach macht. Sie bringen uns dazu inne zu halten, uns zu prüfen, auch mal „Pause“ zu machen und zu schauen, wie es weitergehen kann. Eine Schwäche wahrzunehmen und eingestehen zu können ist also auch eine Stärke. Vielleicht eine der größten überhaupt – denn sie ermöglicht uns ein großes Geschenk: uns weiterentwickeln zu können.
Nun kommen Beratungssituationen häufig zustande, da sich jemand nicht gut fühlt, eine „Schwäche“ bei sich (oder auch anderen) empfindet und – so höre ich es oft – „Klarheit“ gewinnen möchten. Durch diese erhofft sich der Eine oder die Andere vielleicht auch wieder Stärke zu spüren und wieder tatkräftig werden zu können. Man kann ein Beratungsgespräch also auch mit diesem Fokus führen: Was schwächt sie gerade? Warum ist das so usw.?
Als Systemikerin arbeite ich natürlich eher lösungs- und – da kommt es wieder – ressorcenorientiert. Ich interessiere mich zu erfahren, was „da“ ist – ohne es in Stärken und Schwächen zu kategorisieren und damit auch zu bewerten. Mit dem was da ist dann weiter zu arbeiten und Lösungsideen zu entwickeln macht Beratung für mich so spannend! Das auf Virginia Satir zurückgehende Konzept des „Reframing“ knüpft genau hier an: Das was als „Schwäche“ erlebt wird, kann zu einer „Stärke“ umgedeutet werden. So können Eigenschaften, die zunächst als belastend oder „schlecht“ empfunden werden in einem neuen Licht erscheinen. Ihr Nutzen wird sichtbar.
Nichts anderes tun in der Regel auch Menschen in Bewerbungsgesprächen, wenn sie zu ihren Stärken und Schwächen befragt werden. Kaum einer nennt wirklich seine Schwächen („Ich kann schlecht mit Zahlen umgehen“). Meistens deutet man eine Schwäche charmant zu einer Stärke um. „Ich bin oft ungeduldig – mir ist es einfach wichtig, dass Projekte gut vorangehen und Themen nicht auf der Strecke bleiben.“ Na, das klingt doch gar nicht so schlecht…
Da ein wesentlicher Anteil meiner Beratungsgespräche in schriftlicher Form stattfindet, gewinnt das Thema Stärken oftmals eine doppelte Bedeutung: Im Schreiben erkennen viele Menschen erst ihre Stärken – und oft ist das Schreiben selbst dann eine unerwartete oder bis dahin unbekannte Stärke.
Zurück noch einmal zu den Ressourcen. Laut Duden ist dies ein Bestand, ein Vorrat oder auch eine Substanz. Dies umfasst sowohl Stärken, als auch Schwächen. Ein guter Bestand an Stärken und Schwächen rüstet uns aus für’s Leben. Wer über gute Vorräte verfügt, auf die in entsprechenden Situationen zurückgegriffen werden kann, ist reich an (Lebens-)Erfahrung. Die Substanz auf der unser Leben steht und auf die wir zurückgreifen können, hilft uns die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen.
Und was „richtig“ ist, wissen wir oft erst nachdem wir eine Erfahrung gemacht haben – vielleicht haben wir Stärke gespürt, vielleicht Schwäche erlebt. Im besten Fall aber haben wir etwas gelernt, das uns voran bringt. Stark.