Am Samstag war ich in Stuttgart eingeladen, um als Referentin bei einem Fachtag der Telefonseelsorge etwas zum Thema „Beziehungsgestaltung in der Onlineberatung“ zu erzählen. Es wurde ein richtig spannender Tag…!
Das Thema „Beziehung“ spielt in der Beratung (und Therapie) ja ganz grundsätzlich eine wichtige Rolle. Ob eine Beratung gelingt hängt so auch stark davon ab, ob es gelingt, dass Berater*in und Ratsuchende*r eine tragfähige Beziehung zueinander aufbauen können. Es bedarf also Beziehungskompetenz, die aus drei Sphären gefüttert wird: Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz (vgl. Schäfter 2010). Während ich die erste Form erlernen kann, entwicklen sich die letztern beiden aus meiner Persönlichkeit und meiner (beruflichen) Sozialisation.
Schon Virginia Satir hat darauf hingewiesen, dass der Selbstwert einer Person und eine stimmige Kommunikation eine entscheidende Grundlage für eine vertrauensvolle berberische Beziehung und die Entstehung von Veränderungsprozessen sind.
Was bedeutet dies nun für die Onlineberatung und insbesondere für eine textbasierte Form der Kommunikation? Durch die entstehende Kanalreduktion muss es Beratenden über das Schreiben gelingen Empathie, Akzeptanz und Echtheit (vgl. Rogers) zu vermitteln – Aspekte, die im gesprochenen Gespräch geradezu „nebenbei“ transportiert werden können. Sei es durch Mimik oder Gestik oder die Art und Weise, wie ein Raum atmosphärisch „gefüllt“ werden kann, wenn Einrichtung, Beleuchtung, Farben usw. in Einklang stehen.
Das Thema „Atmosphäre“ spielt also eine große Rolle bei der Gestaltung einer Onlineberatungsbeziehung. Vor wenigen Wochen wurde genau diese Frage von Teilnehmenden in der Weiterbildung „Hochschulzertifikat Onlineberatung“ (Institut für E-Beratung, TH Nürnberg) diskutiert. Das Bild unten zeigt einige der Ergebnisse:
Neben technischen und gestalterischen Aspekten, die die Webseite betreffen, wurde der Schwerpunkt auf die Kompetenzen der Beratenden gelegt. Ihnen muss es gelingen, Atmosphäre und eine gute Beziehung herzustellen, damit der*die Ratsuchende sich im Onlineberatungsprozess wohlfühlen und die Beratung gelingen kann.
Aus meiner Sicht spielen hierbei folgende Faktoren (die ich auch in meinem Lehrbuch Onlineberatung beschreibe) eine wichtige Rolle:
- Neutralität & Neugier
- Empathie & Wertschätzung
- Kongruenz & Transparenz
- Konstruktivismus
Diese Grundhaltungen sind nicht onlineberatungs-spezifisch, sie finden in der Onlineberatung jedoch einen besonderen Ausdruck und sich ihrer zu vergegenwärtigen schafft eine wichtige Grundlage, um Beziehung online gestalten zu können.
So mache ich als Berater*in z. B. durch gezieltes Eingehen auf einzelne Textstellen deutlich, dass ich um Verstehen bemüht bin. Indem es mir gelingt, die Zwischentöne des Textes zu erfassen, kann ich dem großen Vertrauensvorschuss, den Ratsuchende insbesondere in der E-Mail-Beratung geben, wertschätzen. Und letztlich geht es auch darum, dass ich als Beratende*r meine beim Lesen entstandenen Bilder und Phantasien konstruktiv in den Beratungsprozess einbringe und dem*der Ratsuchenden auch meine innere Landkarte mitteile.
Als einen ganz wesentlichen Punkt erlebe ich jedoch eine konstruktivistische Haltung für die Onlineberatung. Indem ich mir darüber bewusst bin, dass es nicht „die eine“ Wirklichkeit gibt und Menschen Dinge oftmals vermutlich anders ‚beschreiben‘ als sie sie ‚besprechen‘ würden, kann mir der Spagat zwischen eigener Interpretation des Textes und Offenheit für die Konstruktionen der ratsuchenden Person gelingen.
Natürlich gehören zu jeder Beziehung auch Störungen. In der Onlineberatung tauchen diese beispielsweise in Form von Widerständen der Ratsuchenden, Fake-Verdacht oder Beziehungsverschiebungen auf. Was darunter zu verstehen ist und wie man als Berater*in hiermit konstruktiv umgehen kann beschreibe ich nächste Woche 🙂